Altkatholische Kirche Österreichs

Gedanken für die Einkehrtage 2022

Text von Bischof em. Mag. Dr. John Okoro anlässlich der Einkehrtage vom 7. bis 10. Juli 2022 in der Abtei St. Willibrord in Doetinchem/NL

 

  1. Einführung

Synodalität kann man verschiedentlich verstehen. Es geht immer um zusammenkommen, um gemeinsam ein Ziel zu erreichen; Zusammensein um gemeinsam Lösungen zu suchen, Solidarität zu zeigen, Unterstützung zu erleben. Die Altkatholische Kirche wusste von Anfang an, dass ein Wir entstehen sollte, wenn Kirche den Mitgliedern Aufmerksamkeit, Achtsamkeit, Solidarität und Unterstützung schenkt. Synodalität ist immer ein Wir-Erlebnis.

Im Zusammensein und Zusammenwirken ist die Synodalität in der Dreifaltigkeit Gottes sichtbar. Gott mit seinen drei Personen ist in einer besonderen und heilsamen Beziehung mit dem Ziel, die Menschheit und die Schöpfung zu begleiten und Erlösung zu schenken. Dieses Zusammenwirken der Dreieinigkeit Gottes wird im Johannes Evangelium so dargestellt, um dieses Zusammenwirken der Drei klarzustellen:
“Ich hätte euch noch vieles zu sagen, doch das würde euch jetzt überfordern. Aber wenn der Helfer kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch anleiten, in der vollen Wahrheit zu leben. Was er euch sagen wird, hat er nicht von sich selbst, sondern er wird euch nur sagen, was er hört. Er wird euch jeweils vorbereiten auf das, was auf euch zukommt. Er wird meine Herrlichkeit sichtbar machen; denn was er an euch weitergibt, hat er von mir. Alles, was der Vater hat, gehört auch mir. Darum habe ich gesagt: Was der Geist an euch weitergibt, hat er von mir.” (Johannes 16,12-15).

  1. Zusammenwirken der Menschen

Wenn wir Menschen fragen, was sie sich wünschen, bekommen wir meistens die Antwort: Ich wünsche mir Gesundheit für mich, für meine Familie und für meine Freunde; Ich wünsche mir den Frieden; Ich wünsche mir, dass ich gute Arbeit habe; Ich wünsche mir genügend Geld; Ich wünsche mir keinen Streit mit meinem Partner oder meiner Partnerin; Ich wünsche mir ein langes Leben; usw.
Ich habe keinen Menschen kennengelernt, der sich Aufmerksamkeit, Achtsamkeit Zusammensein mit anderen, Austausch der Meinungen, Solidarität usw. gewünscht hätte. Ich wünsche mir Aufmerksamkeit, Angenommen-sein, Achtsamkeit, wenn ich rede, ich wünsche mir Aufmerksamkeit, wenn ich arbeite, ich wünsche mir Aufmerksamkeit bei meinem Gedankenaustausch, bei meiner Lebensart, oder wenn ich Sorgen habe, usw.
Synodaliät an und für sich hat mit Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Solidarität zu tun, wenn Menschen sich mit Themen des Lebens beschäftigen und eine gemeinsame Lösung suchen, wird erwartet, dass alle sorgfältig und behutsam miteinander umgehen.

Der dreieinige Gott ist ein Gott der Solidarität und Synodalität. Wir erkennen Gottes Aufmerksamkeit, Gottes Achtsamkeit und Gottes Verbundenheit mit uns und Gottes Solidarität durch die Menschwerdung Jesus. Gott wird bei uns sein, in uns sein, uns begleiten, uns beistehen, uns trösten, uns ermutigen usw.

Aufmerksamkeit ist an und für sich ein Zeichen des Angenommen-seins und der Wertschätzung. Paulus beschreibt diese Aufmerksamkeit Gottes folgendes: “Seine Liebe ist ja in unsere Herzen ausgegossen durch den Heiligen Geist, den er uns geschenkt hat.” (Römer 5,5). Dieser Geist in uns, hilft uns, die Merkmale der Aufmerksamkeit wahrzunehmen. Und zwar:

Ein gutes Wort zu sagen.
Einen Kranken aufmuntern.
Eine kleine Handreichung machen.
Das Essen loben.
Sich über Kleinigkeiten freuen.
Für alles dankbar sein.
Schlicht um etwas bitten.
Für jemand ein kleines Geschenk ausdenken.
Ein Wort der Anerkennung für das Gute des Nachbarn oder Nächsten.
Ein Wort der Solidarität für den, der gedemütigt worden ist.
Ein warmer Händedruck für den, der traurig ist.
Sich auf morgen freuen.
Manches Überschlafen.
Sich für alles die nötige Zeit und Sorgfalt nehmen.
Achtsamkeit und Aufmerksamkeit sind gleichbedeutend wie Gesundheit und Statussymbole.

  1. Spiritualität & Synodalität

Die Untersuchung “Brain and Spirituality 2021” der Harvard University hat bewiesen, dass jeder Mensch von Geburt an spirituelle Fähigkeiten hat. Im Gehirn sind spirituelle Grundlagen vorhanden und von unserem Schöpfer dargelegt. Das bedeutet kein Mensch ist von Geburt an Atheist, eine ungläubige oder gleichgültige Persönlichkeit, oder ähnliches. Jeder Mensch hat die Anlage spirituelles Denken zu entwickeln oder spirituelle Erfahrung zu machen. Spirituelle Bindung und Berührung ist immer möglich und offen für Gottes Kinder.

In diesem Zusammenhang frage ich mich, wieso einige Menschen Schwierigkeiten haben von der Botschaft des Evangeliums berührt zu werden oder zu glauben? Laut dieser Untersuchung der Harvard University, gibt es vier Dinge, die wir brauchen, um dieses (spirituelle) Potenzial von Kindheit an zu entwickeln: 1. Liebe, 2. Vorbilder, 3. Zeit und 4. Leiden.

Liebe ist der Grundstein für jede Beziehung. Beziehung zu mir selbst, zu meinen Nächsten, und zu Gott. Wer liebt, verbindet. Wer liebt, erkennt unweigerlich spirituelle Kräfte in seinem*ihrem Leben. Er*Sie ist fähig, Aufmerksamkeit und Achtsamkeit zu entwickeln und zu leben.
Wir ahmen unsere Vorbilder am stärksten nach, wenn wir mit ihnen emotional stark verbunden sind und die Beziehung mit ihnen positiv erleben. Für Kinder sind das vor allem die Eltern. Kinder können durch ihre Eltern den Bereich der Spiritualität im Gehirn entwickeln und später aufbauen.
Jede Kultur hat sein Zeitverständnis. In jeder Kultur verändert sich das Leben durch die Zeit. Jede Zeit hat sein Auf und Ab. Die Covid-19-Pandemie hat uns klar gemacht, dass nicht alles in dieser Zeit uns weiterbringt. Das Wesentliche in dieser Zeit ist sich zu lieben, zu seinen Mitmenschen solidarisch zu sein und Gutes zu tun. Das sind spirituelle Fähigkeiten, die uns innere Freude schenken.
Jedes Leiden hat immer einen Anfang und ein Ende. Leiden zeigt uns sehr deutlich, dass wir begrenzte Wesen sind und bedürftig. Leiden ermöglicht uns in der Tiefe zu schauen und hilft uns, die Frage zu beantworten, nämlich “Wer wir sind?” und “Wohin gehen wir?”. Leiden kann uns helfen, unser Leben zu verwandeln. Viele Menschen spüren im Leiden Gottes Nähe.

Diese vier Merkmale können uns helfen, zusammen zu wirken, und gemeinsam ein Ziel anzustreben und auch zu erreichen. Gott wurde Mensch, weil er uns sehr liebte. Er zeigte uns in Jesus, vorbildhaft, was Gott von uns will. Seine Zeit auf Erde war voll von Aufmerksamkeit, Liebe, Barmherzigkeit, Solidarität mit Sündern und Armen. Er wählte den Weg des Leidens, um uns deutlich zu zeigen, nur im Leiden können wir heil erfahren.

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