Osterbotschaft 2024
Über die Würde, von Gott direkt angesprochen zu werden.
In den Ostererzählungen des Neuen Testaments finden sich viele Fragen, die um das Problem „Auferstehung“ kreisen: Ob es diese überhaupt gibt, wie der Auferstandene ist, woran man ihn erkennen kann und welchen Auftrag ein auferstandenes Leben, bzw. ein Leben mit dem Auferstandenen beinhaltet. Diese Fragen gehen von „Warum weinst du?“, „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“, „Warum seid ihr so verzagt?“ bis hin zu „Habt ihr etwas zu essen?“, „Liebst du mich?“ und „Warum verfolgst du mich?“ Verschiedene Anfragen, an verschiedene Personen und in immer unterschiedlichen Lebenskontexten. Die Möglichkeiten, Jesus als den Auferstandenen zu erkennen, sind aber noch viel breiter. Reicht es dem einen, das leere Grab zu sehen, will ein anderer seine Hand auf die Wunden legen.
Bei einigen brennt zwar das Herz, sie erkennen ihn aber erst beim gemeinsamen Essen. Bei einigen kommt die Erinnerung an seine Worte zurück, andere erkennen ihn am Licht, das sie plötzlich trifft oder an der Fülle der Fische. Manche werden persönlich von Jesus angesprochen, andere bekommen die Botschaft von ihren Freund*innen oder vom Engel ausgerichtet. Es ist uns sehr vertraut, dass sich in unseren Leben unterschiedliche Fragestellungen bilden. Damit können wir meist ganz gut umgehen. Wir erlauben einander oft ganz leicht, mit den verschiedensten Anfragen und Herausforderungen beschäftigt zu sein. Das können wir tolerieren. Schwieriger scheint es zu sein, einander zuzugestehen, dass andere Menschen auch andere Erkenntnisse des Auferstandenen haben; dass andere Menschen andere Vorstellungen davon haben, was ein Leben mit dem Auferstandenen und in dessen Auftrag bedeutet.
Wahrscheinlich war es auch unter den Jüngerinnen und Jüngern nicht unumstritten, wie eine echte Begegnung mit dem Auferstandenen auszusehen hatte. Den anderen allerdings die redliche Suche nach Spiritualität abzusprechen würde die Gefährdung beinhalten, über dem Dorn im Auge der anderen den Balken im eigenen zu übersehen. Daher mussten sie lernen, dass Gott jede und jeden von uns auf eine ganz persönliche Weiseanspricht. Jeder Person gibt sich Gott auf die besondere Weise zu erkennen, die zu ihr passt und die sie auch verstehen kann. Und so hat Gott auch sehr unterschiedliche Aufträge an die von ihm Gesendeten: Weide meine Schafe! Geh in die Welt hinaus! Taufe in meinem Namen! Verkünde das Evangelium allen Menschen! Liebt einander wie ich euch geliebt habe!
Die Herausforderung besteht darin, dass wir nicht aus unserem Auftrag schließen, dass das der einzig richtige ist. Wir dürfen uns darüber freuen, dass wir von Gott unsere Sendung bekommen haben – die zu erfüllen uns sowieso oft nicht leicht fällt. Den anderen müssen wir aber dann auch zugestehen, eine ebenso persönliche Berufung zu haben und daher das Leben und die Botschaft des Auferstandenen anders in die Welt zu tragen als wir. Was für also für den einen Christentum, Spiritualität, Barmherzigkeit, Nächstenliebe oder Verantwortung bedeutet, kann für jemand anderen etwas ganz anderes sein. Der Heilige Geist spricht jede Person in ihrer eigenen Sprache an, das erfahren wir zu Pfingsten dann noch einmal in einer ganz speziellen Weise. Das ist gut so, aber nicht einfach, da sich diese Sprachen doch so sehr von der eigenen unterscheiden! Und dennoch ist es das, was Jesus macht. Jesus erwartet nicht von den anderen, dass sie genau die gleichen Erfahrungen machen wie er. Jesus fordert von seinen Aposteln und Jüngerinnen nicht, dass sie genauso wie er gefoltert und getötet werden. Jesus unterstützt sie vielmehr darin, das zu tun, was ihre Aufgabe ist. Er streitet nicht mit ihnen über die richtige Sendung – er wäscht ihnen lieber die Füße für ihren weiteren Lebensweg.
Die Botschaft von Ostern ist, dass wir die Würde von Gott erhalten haben, ganz persönlich angesprochen zu werden. Ich wünsche uns als Kirche, dass wir einander weniger oft den Kopf als vielmehr die Füße waschen. Dass
wir einander zugestehen, dass sich Gott im Leben der Anderen auf eine andere Artmanifestiert als in unserem eigenen. Nur gemeinsam können wir das wahre Christliche finden. Ich wünsche uns, dass wir uns ernsthaft bemühen, unsere eigene Spiritualität zu leben – und dass wir die anderen dabei unterstützen, das ebenfalls ernsthaft und redlich zu tun.
In diesem Sinne wünsche ich uns gesegnete Ostertage und ein Leben in der Vielfalt der Möglichkeiten der Auferstehung.
Amen.
+ Mag.a Maria Kubin, MA
Bischöfin der Altkatholischen Kirche Österreichs