Stich von Laurent de La Hyre (Französisch, 1606 – 1656), Heilige Familie mit Engeln und das Kreuz, 1639: Hier wird die Verbindung der christlichen Glaubensgeheimnisse deutlich: Das Jesuskind tritt siegessicher mit der Kraft des Kreuzes auf den Kopf der Schlange. Sie, das Symbol des Bösen, das Menschen Angst macht und sie zugleich fasziniert, hat nun keine Macht mehr. Das Reich Gottes bricht an. Daher ist die Szene in eine paradiesische Landschaft eingebettet, am linken unteren Bildrand ein Hinweis auf die menschliche Kultur und Wirtschaft, die sich harmonisch einfügt – einfügen muss, wollen wir nicht untergehen! Engel, himmlische Mächte stehen uns Menschen bei, sie machen uns Hoffnung.
Bischöfliches Wort zum Fest der Geburt Christi im Jahr des Heiles 2021
Liebe Glaubensgeschwister, Freundinnen und Freunde eines guten Lebens weit über den Kreis unserer Kirche hinaus!
Theologie – das Reden über Gott – kann spannend sein, vor allem, wenn Unerhörtes gesagt wird: „Gott wird Mensch“, das ist so ein Satz. Unter dem Zuckerguss dessen, was wir in der westlichen Welt aus dem Weihnachtsfest gemacht haben, schlummert diese Behauptung.
Ein konkreter Mensch, Jesus von Nazareth, wird zum Maßstab dessen, was unter „Gott“ und seinem Wirken zu verstehen ist. Ein tapferer junger Mann, der die Autoritäten seiner Zeit herausfordert und schlussendlich von diesen vernichtet wird. Seine Art zu leben, mit Gott in Verbindung zu sein, mit Menschen umzugehen, seine Botschaft vom anbrechenden Reich Gottes, all dies wird zum Bezugspunkt für viele. Krippe und Kreuz werden zu Chiffren, zu Kristallisationspunkten dessen, was jenseits von Macht, Geld und Prestige bleibend die christliche Existenz bestimmt. Hineingeworfen in die Welt und hinausgeworfen von denen, die es nicht wahrhaben wollen: „Gott wird Mensch“.
Was hat er uns heute zu sagen? Was sagt er einer Menschheit, die so oft, besonders heute, erst mit höchsten Leidensdruck, lern- und handlungsfähig wird? Das hoffe ich doch, dass es so ist, dass alle Krisen, Covid, Klima, die höchst ungerechte Verteilung von materiellen Gütern und Lebenschancen, überwunden werden können. Dass die Menschheit menschlicher wird. Vielleicht bin ich naiv.
Christen stehen Schulter an Schulter mit allen Menschen guten Willens, Seite an Seite mit allen „unter Gottes Gnade“. Vorbei sind die Zeiten der Scheiterhaufen, wenn auch manches an Hass im Internet wahre höllische Feuer entfacht.
Tiefer Ernst verbindet sich an der Krippe mit kindlicher Freude und dem Staunen der Weisen. So sehen wir es figürlich dargestellt und daher ist Weihnachten auch das Fest der Tränen, des Ergriffen Seins. Alles, was vertan und vergeblich erscheint, darf hochkommen. Zugleich auch die Freude darüber, dass wir Menschen sein dürfen mit allen biologischen Gegebenheiten, die unser Menschsein ausmachen. Nahrung, Zärtlichkeit, Erotik, Wohnung, Schlaf: Der „Holde Knabe im lockigen Haar“, der „in himmlischer Ruh schlafen“ möge, ist ein Bild für all die Segenswünsche für ein gutes Leben. Das Leben Jesu, ein Leben, das sich wahrhaftig und heilend verwirklicht, eine Selbstverwirklichung, die das Göttliche zur vollen Entfaltung bringt. Das Kind in der Krippe wird zum Mann am Kreuz und zum Auferstandenen an der Seite Gottes des Vaters. Dies ist das Bekenntnis des christlichen Glaubens, die Grundlage von Taufe und Eucharistie, die Basis für alle heilbringenden Zeichenhandlungen der Kirche.
Ja, Weihnachten ist zu Recht aus christlicher Sicht das Fest der Zeitenwende, das Fest, das eine neue Zeitrechnung möglich macht. Alles, was sich so groß vor uns auftürmt und als teuflische Bosheit die Menschen bedrängt und fasziniert, wird überwunden von dem kleinen Kind, das – im Bild dargestellt – den Kopf der Schlange zertritt. Ja, es gibt Hoffnung, weil das Erlösende stärker ist als das Verstörende. Die Zeit ist da: Jetzt gilt es zu leben in der Nachfolge dessen, der als Licht der Welt die dunklen Ecken ausleuchtet, dort, wo der Schatten des Todes alles zu vernichten droht. Die Zeit ist da: Jetzt – denn „heute ist Euch der Heiland geboren“.
Ein oft gesungenes Lied, das zunächst gar nicht weihnachtlich klingt, bringt zum Ausdruck, was dies alles für uns bedeutet:
„Meine Zeit steht in deinen Händen, nun kann ich ruhig sein, ruhig in dir. Du gibst Geborgenheit, du kannst alles wenden, gib mir ein festes Herz, mach es fest in dir!“
Frohe und gesegnete Feiertage!
+ Heinz
Dr. Heinz Lederleitner
Bischof der Altkatholischen Kirche Österreichs